Digitale Medien: Medienkompetenz vs. Medienmündigkeit

Oliver Bittel hatte uns mitgenommen auf eine Reise zu den Begriffen Kompetenz und Mündigkeit in Bezug auf digitale Medien und hat uns unterstützt bei der Findung der Antworten auf wichtige Fragen zu diesem komplexen Thema.

Am Dienstag, dem 13. Mai 2025 hatten wir zu 19 Uhr ins Haus der Kirche in Uffenheim zu einem interativen Vortrag eingeladen. 

Nach einer kurzen Begrüßung führte Yvonne Hirsch ins Thema ein, indem sie feststellte, dass die digitalen Medien kaum noch aus unserem Alltag wegzudenken seien, dass vielen aber bereits bekannt sein dürfte, dass diese nicht nur Gutes bringen, sondern auch Gefahren bergen. Und doch stünden wir oft hilflos da, wenn es darum gehe uns und unsere Kinder vor diesen Gefahren zu schützen. Doch was sind diese Gefahren? Und wo werden sie zum Problem? für uns? für unsere Kinder? für unsere Gesellschaft allgemein und sogar für unsere Demokratie? Antworten darauf und auf die drängende Frage, wie kann ich Medienmündigkeit bei meinen Kindern fördern, erwartet sie sich von Oliver Bittel. Es sei ein Thema, das mehr und mehr an Brisanz gewinne, mit dem wir uns bewusst und aktiv beschäftigen sollten. Vor allem die Problematik der Fake News, die zum probaten Mittel geworden sind uns zu beeinflussen, bereite ihr große Sorgen.

Der Referent Oliver Bittel, ausgebildeter staatlich anerkannter Erzieher mit Berufserfahrung im Kindergarten, der stationären Jugendhilfe und einer Mutter-Kind-Einrichtung bildet sich in der Teile-Arbeit weiter und hat sich im Rahmen seines Studiums der Bildungs- und Erziehungswissenschaften an der katholischen Universität Eichstätt intensiv mit dem heutigen Thema beschäftigt. Er startete mit einer Erwartungsabfrage, an der sich die Anwesenden gleich zum ersten und nicht zum letzen Mal rege beteiligten.

Anschließend kam er direkt auf die Medienkompetenz zu sprechen. Dabei erklärte er sowohl die Begrifflichkeit in ihrem Ursprung sowie den sozialen Wandel und wie sie zum "Plastikwort" verkommen sei, d.h., dass sie große komplexe Themen auf einen Nenner bringen soll, dessen verschiedenen Bereiche nicht mehr bekannt sind und einen vermeidlichen Expertenbedarf erweckt. In der öffentlichen Darstellung wird uns oft suggeriert, wir müssten unsere Kinder digital zukunftssicher machen, sie bräuchten frühest möglich Medienkompetenz. Dabei scheint der Schwerpunkt leider oftmals auf der reinen Anwendung, der Medienkunde, zu liegen und vielleicht noch ein bisschen auf Mediengestaltung. Der Medienkritik wird dabei leider all zu häufig ein zu geringer Stellenwert beigemessen. Komplett außer acht gelassen wird, dass Kinder erst einmal die Grundkompetenzen wie Gleichgewicht, Kommunikation, Empathie und Problemlösefähigkeit erwerben müssen - sie gelten als Grundbausteine für kompetente Entscheidungen. Jede Minute, die ein Kind z.B. am Tablet verbringt fehlt ihm für das Lernen dieser wichtigen Grundkompetenzen. Aufmerken sollte man in diesem Zusammenhang, dass die Kinder der Mitarbeitenden der Entwickler:innen bei z.B: Google, Meta und co von digitalen Medien ferngehalten werden.

Und was ist jetzt mit der Medienmündigkeit? Oliver Bittel ging erst einmal darauf ein was nach Kant unter Mündigkeit zu verstehen ist und brachte deren Wichtigkeit mit einem Wort auf den Punkt. Mündigkeit ist die Fähigkeit sich seines eigenen Verstandes zu bedienen; Selbstbestimmtheit, Urteilsfähigkeit, Verantwortungsübernahme für sich, für andere und die Gesellschaft - Verantwortung übernehmen und mit den Konsequenzen leben. Mündige Bürger:innen sind die Grundvoraussetzung für unsere Demokratie! Medienmündigkeit bedeutet also selbstkritisches und selbstreflektierendes Handeln im digitalen Raum, Urteilsfähgikeit über die Entscheidungen im digitalen Raum und die Nutzung digitaler Medien, Verantwortung für sich selbst, andere und die Gesellschaft und der Entwicklung Raum geben (erst die Grundkompetenzen entwickeln, dann Medienmündigkeit).

Nachdem diese Begrifflichkeiten geklärt waren ging Oliver Bittel ausführlich auf die Gefahren durch digitale Medien ein. Dabei waren nicht wenige der Anwesenden beinahe schockiert welche Bildschirmzeiten bei Kleinkindern bereits die Entwicklung beeinträchtigen (können). Vor allem die Entwicklung von Kommunikations- und Problemlösefähigkeiten wird verzögert sowie der Sprachgebrauch. Unter 3 Jährige sollten gar keinen Kontakt mit digitalen Medien haben, Oliver Bittel emphielt sogar vor dem 6. Lebensjahr keine digitalen Medien zu konsumieren. Er spricht davon, dass die sozialen Medien erst ab 10 Jahren selbstständig genutzt werden sollten. Bis 10 Jahre reichen max. 30 Min. täglich gemeinsame Nutzung für sinnvolle Dinge d.h. zum recherchieren, nicht zum unterhalten, für 10-12 Jährige reichen max. 40 Min. und ab 12 Jahren 45 Minuten. Soziale Medien sollten lt. dem Gehirnforscher Dr. Spitzer sogar erst ab 16 Jahren genutzt werden.  Eine hohe Nutzung in jedem Alter geht oft mit einer Belastung der psychischen Gesundheit einher und verändert die Reaktion auf soziale Erwartungen, kann z.B. zu Depressionen und / oder sozialem Rückzug führen. Eine riskante Nutzung beginnt bei 4 h täglich eine Steigerung ist dann noch die pathologische Nutzung.  Das gefährliche an der Nutzung der digitalen Medien ist im Gegensatz zu anderen Drogen, dass die Folgen nicht direkt erkannt werden. Ein Problem ist zudem, dass unser aktuelles Gesundheitssystem im psychischen Bereich marode ist - es fehlen viele Stellen, so dass die Folgen von Mediensucht nicht aufgefangen werden können.Fair wäre in diesem Zusammenhang: Die Verursacher zahlen für die Folgen! In der Gesellschaft kommt das Thema psychische Gesundheit viel zu kurz! Ein negativer Trend, der durch die digitalen Medien zugenommen hat sind spontane Absagen - wir sind schlichtweg unsozialer geworden, übernehmen immer weniger Verantworung für unsere sozialen Kontakte. Vielen Jugendlichen fehlt es zudem durch die einseitige Bedienung von z.B. Handy oder Tablett auch an Feinmotorik. Zudem "versauen" Algorithmen und die sogenannten "Bubbles" unsere Jugend. So verschlechtert z.B. Instagram das Körperbild von Mädchen.

Oliver Bittel warf die Frage auf, ob gezielte Werbung ethisch vertretbar sei - nein, meint er, denn sie macht uns nicht mündig! Womit er nicht sagen will, dass Filter generell schlecht wären - im Gegenteil, bei der Fülle der Informationen können diese eine wichtige Funktion haben. In Deutschland ist so ziemlich alles geregelt, ob im Verkehr oder dem Konsum von Alkohohl, aber bei digitalen Medien fehlt eine solche Regelung. Diese könnte z.B. durch eine Kontrolle der Algorithmen erfolgen, einen automatischen ersten Faktencheck von Posts z.B. über KI. Denn eine weitere große Gefahr sind Fake News. Weshalb Oliver Bittel auch auf diesen Punkt ausführlich einging und die Anwesenden testete welche Fake News sie als solche erkannten (SWR Fakefinder). Hilfreich beim erkennen von Fake News sind folgende Tipps der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb):

  • Wer ist der Autor, die Autorin? Handelt es sich um eine:n Expert:in? Was ist über die Person noch bekannt?
  • Auf welcher Internetseite ist die Information veröffentlicht? (Seriöse Seiten besitzen immer ein Impressum!)
  • Welches Format hat die Information? Welchen Schreibstil? Öffnet sich automatisch Werbung im Hintergrund beim Öffnen der Seite?
  • Sind die Quellen angegeben und können sie nachverfolgt werden?
  • Welche Zielgruppen werden angesprochen?

Auf die Frage aller Fragen vieler besorgter Eltern: Aber wie kann ich denn nun gezielt Medienmündigkeit bei meinen Kindern fördern? hat Oliver Bittel folgende Handlungsempfehlungen zusammengetragen:

  • Vorbild sein!!! - wann brauche ich mein Handy wirklich?
  • Erfahrungen besprechen (Apps, Inhalte, in welchen Situationen möchte ich digitale Medien nutzen?)
  • gemeinsam z.B. verschiedene Printmedien vergleichen (Bild vs. Spiegel)
  • Sachbücher zu digitalen Medien
  • Vorlesen statt fernsehen!
  • gemeinsam surfen und informieren
  • Grenzen setzen und einhalten!

Eine weitere wichtige Frage: Wie erkenne ich Mediensucht?

  • Kontrollverlust über Medienverhalten
  • Internetnutzung bekommt Vorrang
  • trotz Leidensdruck und negativer Konsequenzen in verschiedenen Bereichen des Lebens werden digitale Medien weiter exzessiv genutzt

Wichtig ist Oliver Bittel bei allen Gefahren aber auch darauf hinzuweisen, dass die digitalen Medien auch eine große Chance bieten. Sie können verbinden, uns dabei helfen uns zu vernetzen, geben neue Impulse und erleichtern so mache Arbeit. Zudem kann man sich Informationen auf vielen verschiedenen seriösen Seiten suchen und z.B. auch ausländische Seiten übersetzen lassen um sich umfassend zu informieren. Dabei ist auch klar, guter Medienjournalismus kostet Geld. Es ist die eigene Entscheidung: Was lese ich? Überprüfe ich Quellen? Was bzw. wen unterstütze ich durch meine Nutzung? Zudem haben wir in Deutschland das Glück ein großes seriöses Angebot durch die öffentlich Rechtlichen zu haben, welche mit "Funk" auch ein gutes Angebot für Jugendliche haben (Hey, wir sind funk). 

Ganz im Sinne Kants schloss Oliver Bittel mit dem Sprichwort: 

Sapere Aude! - Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!

Das Schlussworte hatte Dr. Thomas Schmidt, welcher sich bei den Anwesenden für ihr Kommen und vor allem bei Oliver Bittel bedankte. Er überreichte ihm ein kleines Präsent und lud die Besucher:innen gleich noch zu den nächsten Terminen des Ortsverbandes der Grünen sowie zu einer weiteren Veranstaltung des Uffenheimer Bündnis gegen Rechtsextremismus ein.

Datum & Uhrzeit:

Dienstag, 13. Mai 2025
19:00 Uhr

Adresse:

Haus der Kirche
Ringstraße 25
97215 Uffenheim