Martin Häusling ist Biobauer und Mitglied des Europäischen Parlaments.

Grüne Kreuze oder was die Autoindustrie mit der Landwirtschaft zu tun hat

Interview mit Martin Häusling MdEP

Grüne Post: Lieber Martin, wenn man bei uns derzeit über Land fährt sieht man häufig grüne Kreuze auf den Fel­dern, die die Bauern aus Protest auf­gestellt haben. Auch gibt es immer wie­der Demonstrationen der Bäuer­innen und Bauern. Einer der Haupt­kri­tikpunkte dabei ist die neue Gülle­ver­ordnung der EU. Kannst Du für uns kurz zusammenfassen, was diese be­in­haltet?

Martin Häusling: ​Die Nitratrichtlinie der EU ist eine für alle Mitgliedsstaaten geltende Norm, die den Eintrag von z.B. in Gülle enthaltenem Nitrat in Grund­wasserkörper beschränkt. Nitrat ist in hohen Maßen gesundheits­schäd­lich und darf daher im Trink­was­ser nur mit bis zu 50 mg pro Liter enthalten sein. Jeder Mitgliedsstaat der EU muss zur Einhaltung der Richtlinie seine eigene, an die Gegebenheiten des Landes angepasste Gesetzge­bung entwerfen, um diese Richtlinie einzuhalten. In Deutschland ist das die Düngeverordnung, die in ihrer jetzigen Ausgestaltung von der EU-Kommis­sion als nicht ausreichend kritisiert wur­de. Eine zeitgemäße Anpassung dieser Verordnung wird aber schon seit vielen Jahren von der Bundes­re­gierung verschlafen, weswegen Deut­schland ein Vertragsverletzungs­ver­fahren der EU mit Strafzahlungen von 850.000€ pro Tag droht.

Grüne Post: Nun werden ja gerade in Franken vielerorts die Grenzwerte für Nitrat überschritten. Welche Maßnah­men hältst Du hier für geeignet und wie setzt Ihr Euch in der grünen Fraktion im EU-Parlament dafür ein?

Martin Häusling: ​Das Hauptproblem ist die intensivierte Landwirtschaft, die in vielen Teilen Deutschlands vor­herrscht. Durch den Preisdruck und die exportorientierte Agrarpolitik müs­sen Landwirte immer mehr produ­zie­ren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Deswegen werden vielerorts zu viele Tiere auf wenig Fläche gehalten, Futter wird zugekauft und große Men­gen an Gülle müssen ausgetragen werden. In anderen Teilen ist auch die intensive Düngung mit synthetisch-mineralischen Stickstoffdüngern (im Ökolandbau verboten) ein Problem. Wir brauchen deshalb eine Bindung der Tierzahl an die Fläche, damit zum einen ein höherer Anteil an Eigen­produktion von Futter gewährleistet wird und zum anderen weniger Tiere auf kleinstem Raum gehalten werden. Im Ökolandbau ist das schon lange Praxis. Wir müssen weg kommen vom intensiven externen Input von stick­stoffhaltigen Düngemitteln (über Mine­raldünger oder Futtermittel/Gülle) und unsere Systeme in gesunden Kreis­läufen intensivieren, z.B. über Agro­forst- und Permakulturtechniken. Be­triebe, die nachweißlich wasser­schüt­zend wirtschaften, dürfen nicht in Mithaftung genommen werden, statt­dessen müssen Risikobetriebstypen als Verursacher mit Auflagen belegt werden. Innerhalb des Europapar­la­ments setze ich mich mit meiner Fraktion im Rahmen der GAP-Reform für eine Ab­kehr der flächen­ge­bundenen Direkt­zahlungen ein. Landwirte sollen für mehr Tierwohl, Arten-, Wasser-, Klima- und Boden­freundliche Wirt­schaftsweisen belohnt werden, statt für die bloße Bewirtschaftung von viel Fläche. Deutschland muss sich an die Gesetzgebung aus Brüssel anpassen, sonst bekommen wir über die Straf­zahlungen hinaus auch große Pro­bleme, z.B. mit der Qualität unseres Trinkwassers.

Grüne Post: Mit dem Mercosur-Abkommen wurden aus meiner Sicht die Landwirte gerade für die Auto- und Chemieindustrie geopfert. Was hältst Du von diesem Abkommen und was sind seine entscheidenden Inhalte.

Martin Häusling: Zuerst einmal ist das Abkommen noch nicht beschlossene Sache. Mitgliedsländer wie Österreich haben jetzt schon ihr Veto angekündigt und auch im EP zeichnet sich keine Zustimmung zum Abkommen ab. Als treibende Kraft dieses Abkommens ist vor allem die Bundesregierung zu nennen, die damit den Wünschen der Chemie- und Autolobby entsprechen will, zollfrei ihre Produkte in die Mercosur-Staaten liefern zu können. Da ein Abkommen nicht auf Ein­seitigkeit beruht, werden daher die Mercosur-Staaten mit ihren kompe­titivsten Exportprodukten aus dem Landwirtschaftsbereich in den Deut­schen Markt drücken: Ethanol, Soja, Rindfleisch etc.. Meiner Meinung nach ist es ein Unding, Produkte, die auf Kosten von Waldrodungen und unter dem intensiven Einsatz von Pestiziden und Agrogentechnik produziert wur­den, auf den Europäischen Bin­nenmarkt zu lassen. Darunter werden neben dem Verbraucher vor allem die extensiv wirtschaftenden Bauern lei­den. Solch ein Qualitäts- und Preis­dumping setzt in der heutigen Zeit die komplett falschen Signale. Fakt ist auch, dass trotz eines Nachhaltig­keitskapitels und Beteuerungen der Europäischen Kommission keine wirk­samen Sanktionsmechanismen im Ab­kommen vorhanden sind. Das Merco­sur-EU Abkommen muss daher auf jeden Fall gestoppt werden.

Grüne Post: Als Hauptgegner werden bei den Demos und Verlautbarungen der Landwirte oft die Artenschützer (Stichwort Volksbegehren “Rettet die Bienen”), die Natur- und Umwelt­schützer und wir Grünen hingestellt. Wie siehst Du das? Wie setzt Ihr Euch in Brüssel für die Landwirte ein?

Martin Häusling: Ich hoffe, dass Bewegungen wie Land-Schafft-Ver­bindung noch einen differenzierteren Blick für die Ursache ihrer Misere entwickeln. Eine verfehlte Subven­tionspolitik, Exportorientierung, Preis­druck des Handels und der Bauern­verband, der eher die Interessen der Agro-Industrie und Chemieindustrie vertreten hat, statt die Bauern selbst. Naturschutzverbände und Grüne jetzt als Feindbild auszumachen, ist mehr als kurzsichtig - das BMEL ist seit über 20 Jahren Unions-geführt. Landwirte dürfen sich nicht vor den falschen Karren spannen lassen. Stattdessen müssen sie ihre eigene Interessen­vertretung hinterfragen, die seit Jahr­zehnten mit Hilfe der Unions-Parteien jede fortschrittliche Änderung der Agrarpolitik in Richtung mehr Nach­haltigkeit auf nationaler und europä­ischer Ebene verhindert. Auch Wis­senschaft und Beratung haben hier Jahrelang eine nicht nachhaltige Praxis unterstützt. Dazu gehört natürl­ich auch, dass Landwirt*innen sich ein­gestehen, mit der vorherrschenden Art zu wirtschaften nicht die Heraus­for­derungen der Zeit meistern zu können. Ich würde mir da seitens einiger meiner Kolleg*innen schon ein biss­chen mehr Einsicht und Akzeptanz wünschen.

Um den Anforderungen bezüglich Ar­tenschwund, Klimawandel, etc. ge­recht zu werden, muss die Land­wirtschaftspolitik der EU geändert werden, um Bäuerinnen und Bauern für ihre Leistung bzgl. Artenschutz, Tierschutz und Klimaschutz auch zu entlohnen.

Grüne Post: Mitte Januar haben viele Bäuerinnen und Bauern gemeinsam mit Grünen, Umwelt-, Natur- und Ar­ten­schützern und vielen mehr zum 11. Mal in Berlin für eine andere Agrar­politik protestiert. Warum erkennen immer noch zu wenig Deiner Berufs­kollegInnen, daß nur ein gemeinsames Handeln all dieser Gruppen auch für das Überleben der bäuerlichen Betriebe notwendig ist?

Martin Häusling: Es gibt Mittel und Wege, Umweltschutz und Wirtschaft­lichkeit zu vereinen, das zeigt auch der ökologische Landbau, der hier ganz klar die innovativste Praxis ist. Für viele meiner Kolleg*innen ist es schwer einzusehen, dass die Praxis, die ihnen jahrelang als gut und richtig vorgebetet wurde, sich als ganz großes Minusgeschäft für unsere Gesellschaft herausstellt. Ich würde mir von einigen meiner Kolleg*­innen ein bisschen mehr Offenheit und kritisches Hinterfragen des Status-Quo wünschen, statt sich veralteter Feindbilder zu bedienen. Ich bin aber guter Dinge, dass bei vielen auch im Laufe der Zeit der Groschen fällt und die progressiven Stimmen in der Landwirtschaft lauter werden.

Das Interview führte Ursula Pfäfflin Nefian