„I’m a Barbie girl in a Barbie world …
… Life in PLASTIC is FANTASTIC“… So heißt es in dem 1997 von Aqua veröffentlichten Lied. Und sicherlich hat die Erfindung und Weiterentwikklung der unterschiedlichen Kunststoffe sehr viele Vorteile und Bequemlichkeiten gebracht. Doch nach und nach tun sich die „Schattenseiten“ des Erdöl/Kohle/Erdgas-Abkömmlings auf: Weichmacher in Babyfläschchen oder Spielzeug (Bisphenol A oder BPA) sind ein prominentes Beispiel.
Eine weitere Problematik weltweiten Ausmaßes, von der sicher auch schon jeder gehört hat, ist das Vorkommen von Unmengen an Plastikmüll in den Weltmeeren (Great Pacific Garbage Patch GPGP= Großer Pazifischer Müllteppich) bzw. dass kleinste Plastikteilchen mittlerweile so ziemlich überall auf der Erde nachgewiesen werden konnten: vom Marianengraben (tiefste Stelle der Weltmeere) bis hin zum Eis im Arktischen Ozean, in Meerestieren (Muscheln, Fischen, Flöhen) und sogar in menschlichen Ausscheidungen (Studie der Medizinischen Uni Wien). Um dieses sogenannte Mikroplastik dreht sich der vorliegende Artikel.
Was versteht man unter Mikroplastik?
Als Mikroplastik definiert werden feste und wasserunlösliche Kunststoffteilchen, die kleiner als 5 mm sind (I). Mikroplastik entsteht einerseits durch Zerfall von größeren Kunststoffteilen (sekundäres Mikroplastik) z.B. durch UV-Strahlung im oben genannten GPGP; andererseits wird primäres Mikroplastik industriell produziert und in Pflegeprodukten (z.B. Peelings, Duschgele, Zahncreme), Kosmetika (z.B. Make-up), Wasch- und Reinigungsmitteln oder Windeln (Saugmaterial) verwendet.
Wie gelangt das Mikroplastik in die Umwelt?
Eine Studie des Fraunhofer Instituts für Umwelt- Sicherheits- & Energietechnik UMSICHT (2018) kam zu folgendem Ergebnis: „Zu den Top 10 (Anmerkung: relevanten Quellen für primäres Mikroplastik, Platzierung wird in Klammern angegeben) gehören nach unserer Analyse: Abrieb von Reifen (1), Emissionen bei der Abfallentsorgung (2), Abrieb von Polymeren und Bitumen in Asphalt (3), Pellet-verluste (4), Verwehungen von Sport- und Spielplätzen (5), Freisetzung auf Baustellen (6), Abrieb von Schuhsohlen (7), Kunststoffverpackungen (8), Fahrbahnmarkierungen (9), Faserabrieb bei der Textilwäsche (10).“ Weitere ausgewählte Quellen sind: Abrieb landwirtschaftlich genutzter Kunststoffe (12), Kosmetika (17), Abrieb von Dekomaterial, Glitter, Konfetti etc. (20), Inhaltsstoffe von Wasch-, Pflege-, Reinigungsmitteln privater Haushalte (21) und Zusatz in Medikamenten (25), Fragmentierung Pyrotechnik (27; Anmerkung: Feuerwerk). (II)
Das zugehörige Diagramm veranschaulicht den Anteil der einzelnen, oben im Text genannten Quellen an der gesamten Mikroplastikemission, die für Deutschland geschätzt 4kg pro Jahr und Person beträgt! Nicht in dieser Studie vertreten ist „das weltweit häufigste Abfallprodukt“ (III): achtlos weggeworfene Zigarettenfilter. Diese sind, abgesehen vom enthaltenen Mikroplastik, eine Quelle für hochgiftige Chemikalien! Nur ein Zigarettenfilter auf 1 Liter Wasser reicht aus, um für Fische und andere Wasserlebewesen tödlich zu sein (IV).
Nach dieser Analyse scheint die freigesetzte Menge an Mikroplastik durch Kosmetika und Wasch-, Pflege-, und Reinigungsmittel (sogenannte Detergenzien) fast vernachlässigbar zu sein. Jedoch schreibt das Umwelt Bundesamt berechtigterweise dazu: „Auch wenn nur geringe Mengen aus Detergenzien und Kosmetika in die Umwelt kommen, so hält das Umwelt Bundesamt Mikroplastik in diesen Produkten für verzichtbar.“ (I) Diese beiden Produktgruppen werden hauptsächlich durch das heimische Abwasser in die Umwelt eingetragen, da Mikroplastik weder einfach zersetzt noch abgebaut werden kann. Es kann bisher nur durch eine spezielle kostspielige Anlage herausgefiltert werden, mit der die wenigsten Kläranlagen ausgestatten sind. An einer Lösung für dieses Problem wird z.B. bei „Wasser 3.0“ geforscht, wo Mikroplastik aus Abwasser, Klärschlamm und Meerwasser durch sogenannte Agglomerations-Fixierung entfernt werden soll. (III) Oder auch bei „Ecofario“ aus München, wo ein so genannter Hydro-Zyklon Mikroplastik und Medikamentenreste aus dem Wasser abscheiden kann. (IV)
Warum aber wird nun ein solcher Wirbel um Mikroplastik gemacht?
Die Problematik von Mikroplastik ist, dass es aufgrund seiner geringen Größe überall eindringen und sich dort ablagern kann. Wasserflöhe, Flusskrebse und Regenwürmer, die Mikroplastik ausgesetzt wurden bzw. eingelagert haben, wiesen Entzündungsreaktionen, Wachstumsstörungen und sogar erhöhte Sterblichkeitsraten auf. Nicht nur die mechanische Schleifwirkung des Mikroplastiks ist hierbei ausschlaggebend, auch die austretenden Schadstoffe wie Weichmacher oder Flammschutzmittel sind fatal. (I,VII) Auch das Pflanzenwachstum kann negativ beeinträchtigt werden, da z.B. im als Dünger verwendeten Klärschlamm enthaltenes kleinstes Mikroplastik in die Pflanzenwurzeln gelangt und diese für Nährstoffe und Wasser blockiert. (VIII) Außerdem „wirkt Kunststoff aufgrund seiner Oberflächeneigenschaften wie ein Magnet auf Umweltgifte“.(IX) Das heißt, stark mit Schadstoffen belastetes Mikroplastik gelangt über die Nahrungskette schlussendlich direkt in unseren Körper.
In Kosmetika, Pflegeprodukten bzw. Waschmitteln finden, neben wasserunlöslichem Mikroplastik, weitere Kunststoffe Verwendung: wasserlösliche synthetische Polymere, welche schwer abbaubar sind, aber nicht unter die Definition von Mikroplastik fallen. Sie werden eingesetzt als Peelingpartikel, Bindemittel, Filmbildner und Füllmittel und sollten laut Umwelt Bundesamt und BUND genauso gesetzlich reglementiert werden, da auch diese ein Risiko darstellen können. (I,IX)
Wie erkenne ich nun Plastik in Kosmetik und Waschmitteln?
Global2000 hat eine Liste mit Waschmittel zusammengestellt, in der wasserunlösliches und wasserlösliches Plastik gekennzeichnet wurde. (VII) Diese Liste und den begleitenden Artikel kann man sich kostenlos herunterladen. Im BUND Einkaufsratgeber (Download Link unter VI) und auch in einem Beitrag vom NDR (VIII) werden folgende in Kosmetika verwendete Kunststoffe aufgeführt: AC, ACS, Dimethiconol, Methicone, PA-Nylon, PA, PMMA, PQ, PE, PEG, PET, PP, PPG, PS, PUR, Siloxane (Diese Abkürzungen erscheinen auf der Liste der Inhaltsstoffe INCI von Kosmetikprodukten).
Eine bequeme Möglichkeit sind Apps für das Handy, die durch Abscannen des Produkt-Barcodes Auskunft über mögliche bedenkliche Inhaltsstoffe geben: z.B. „Code Check“ oder „Beat The Microbead“. (VIII)
Was kann ich tun?
Der WWF gibt Tipps zur Verringerung von Mikroplastik in der Umwelt, z.B. unnötige Plastikverpackungen vermeiden und so weniger Plastikmüll generieren, an Müllsammelaktionen teilnehmen und Waschmittel/Kosmetika ohne Mikroplastik kaufen. (V) Weitere Möglichkeiten beinhalten: Naturmaterialien verwenden statt Kunstfasern (die Textilwäsche steht auf Platz 10! der Quellen für Mikroplastik); Reifenabrieb verringern (sogar Platz 1!); Nachfüllware aus „Unverpackt Läden“ bevorzugen; Projekte, Aktionen und Forschung gegen Plastik und Mikroplastik unterstützen.
Dr. Sabine Hernandez Santana
Quellenangaben:
(I) siehe Umwelt Bundesamt – Themen – „Mikroplastik in Kosmetika“ – 13.06.2016
(II) Fraunhofer UMSICHT, Kunststoffe in der Umwelt, Ausgabe 21.06.2018.
(III) wasserdreinull.de
(IV) Merkur online – „Breitbrunner erfindet leistungsstarken Mikroplastik-Filter“, 07.06.2020
(V) WWF – „Mikroplastik ist überall“ - 15.01.2020
(VI) Bund – Meere – Mikroplastik – „Mikroplastik und andere Kunststoffe – eine große Gefahr für unsere Umwelt“
(VII) www.global2000.at – Publikation vom 26.09.2019 – „Waschmittel: Wo steckt Mikroplastik drin?“
(VIII) www.ndr.de – Ratgeber – Verbraucher – „Körperpflege ohne umweltschädliches Mikroplastik“ – vom 11.10.2019